Im Kurs Strategien des Entwerfens werden die Unsichtbaren Städte von Italo Calvino mit Hilfe von Strategien verbindlich, die Gastredner*innen vorstellen. In diesem Fall wurde die Stadt Maurilia nach Vorgehen entworfen, mit dem Sir Edwin Lutyens hunderte Friedhöfe für die gefallenen britischen Truppen des Ersten Weltkrieges erbaut hat. Diese zeichnen sich durch wiederkehrende Elemente aus, die in unterschiedlicher Komposition und Größe auftauchen und aus vielen einzelnen Gedenkorten ein einheitlichen Netz entlang der ehemaligen Front spinnen.
Maurilia ist geprägt von Nostalgie, der Sehnsucht nach etwas vergangenem, ausgelöst aus einer Unzufriedenheit mit der Gegenwart. Ein provizielles Städtchen, dass still und heimlich zur Metropole geworden ist. Man erinnert sich an den verlore- nen Reiz der Vergangenheit, präsentiert den Besuchern nicht das neue, überformte Maurilia, sondern Ansichtskarten des alten.
Zwischen diesen Polen gibt es scheinbar keinen Übergang sondern einen Austausch. Die Metropole ersetzt das Städtchen in ihrer Form und ihrem Geist, ihren Göttern. Es ist ein anderer Ort, der trotzallem von den gleichen Menschen bewohnt zu sein scheint. Diese präsentieren ihre Stadt den Besuchern mit eben dieser Nostalgie. Man zeigt nicht seine neuen Orte, sondern wie sie mal ausgesehen haben. Keiner der Anblicke ist dabei herausragend gut oder erschreckend schlecht. Es geht nicht um besser oder schlechter, da Maurilia damals wie heute keine Stadt mit besonderen Eigenschaften ist. Der nostalgische Blick auf die Ansichtskarte vermittelt, darauf etwas zu sehen, dem man nachzutrauern hat. Doch dieser Blick beschönigt die Vergangenheit und entwertet zugleich deren Überformung.
Maurilia ist nicht nur eine Stadt sondern viele. Sie alle sind nicht von den anderen zu unterscheiden. Sie haben Eigenschaf- ten und Orte die Metropolen nunmal haben. Doch sind sie sich dieser Identitätslosigkeit nicht bewusst, sondern suchen sie in der ebenso eigenschaftslosen Vergangenheit. Dieser Rück- blick mit Scheuklappen lässt ein Bild entstehen, dass auf keiner Wirklichkeit basiert und dass keiner der Städte tatsächlich zu- zuordnen ist.
Aufgrund dieser Beschreibungen der Stadt wird deutlich, dass es nicht möglich ist nur ein Maurilia zu entwerfen, da Maurilia ein Symbol ist für diese Orte, die bewohnt aber nicht geliebt werden. Orte die sich vom generischen alten zum gene- rischen neuen verformen und den Bewohnern und Besuchern dennoch Identität und Qualität bieten sollen. Die Entwurfsaufgabe liegt also darin eine Stichprobe dieser Maurilias zu präsentieren und den nostalgischen Blick zwischen neu und alt zu eröffnen.

Lutyens hat seine Strategie entwickelt um eine Vielzahl von einheitlichen aber nicht identischen Friedhöfen entwerfen zu können. Daher bildet sie die passende Grundlage für den Entwurf der vielen, sich stark ähnelnden Städte, die Maurilia heißen. Die zwei Hauptelemente, das Kreuz und der Stein spannen eine Achse auf um die sich die weiteren Elemente anordnen. Der Eingang, die Grabsteine, die Mahnmale und Gebäude. Die Anlagen und vor allem die Ge- bäude unterliegen einem modularen System, dass sich auf die örtlichen Besonderheiten anpasst.
Die Hauptelemente Maurilias sind die Kirche und das Rat- haus zwischen denen sich ein Markplatz befindet. Darum herum legt sich die Wohnbebauung in die Stadtmauer wie die Grabsteine zwischen die Bäume. Diese Mauern werden von den Hauptstraßen durchbrochen an die ein Netz aus Straßen und Gaßen anknüpft. Die Stadtmauern werden mit der Zeithäufig geschliffen und bleiben nur in Teilen erhalten. Das Rathaus der Metropole überformt das alte, die Kirche bleibt jedoch erhalten. Musikpavilons der Provinzstädtchen werden mal abgerissen, mal bleiben sie erhalten. Neue, große Wohnblocks und Fabriken durchbrechen die alten Stadtgrenzen und nehmen das Umland vollkommen ein. Flüße werden zu Kanälen verbreitert, Gassen werden zu befahrbaren Straßen, Bahnhöfe und Schienen werden errichtet, usw.
Die große Menge der Grundrisse verdeutlicht, dass die Maurilias nicht einzigartig sind. Sie sind kaum zu unterscheiden. Die Überbleibsel der alten Städte, hier rot gekennzeichnet, gehen in den neuen Gebäuden der Metropolen, in blau dargestellt, häufig unter.
Die große Menge der Grundrisse verdeutlicht, dass die Maurilias nicht einzigartig sind. Sie sind kaum zu unterscheiden. Die Überbleibsel der alten Städte, hier rot gekennzeichnet, gehen in den neuen Gebäuden der Metropolen, in blau dargestellt, häufig unter.
Die Collage ist ein Anaglyphenbild bei dem die alte Zeitschicht in rot und die neue in blau überlagert dargestellt werden. Sie verbildlicht zunächst den Blick der Bewohner. Sie sehen in ihrem Maurilia nicht nur das Neue, da dies in ihnen die Erinnerung und Sehnsucht nach dem Alten weckt. Die Szenen der alten Städtchen und die der Metropole überlagern sich. Nimmt man nun die dem Plan beigelegte, rote Folie zur Hand, zeigt sie den Eindruck der Besucher. Sie besichtigen Maurilia mit Ansichtskarten, die sie das Neue ausblenden lassen um das Alte sichtbar zu machen. Die rote Folie filtert das Neue raus, sodass nur das Alte sichtbar bleibt. Dies verdeutlicht, dass Maurilias Bild konstruiert und unwahr ist. Eine Mischung von Erinnerung und Gegenwart. Das Modell zeigt die undendliche Anzahl von Maurilias. Die neun Städte gehen beinahe ineinander über und vervielfältigen sich über die Grenzen des gebauten hinaus in ihren Spiegelbil- dern. Hier wird nocheinmal deutlich, dass nicht das eine Maurilia entworfen wurde, sondern lediglich eine Schnittmenge.






